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Gelesen: "Der Indianer" von Leonhard Lentz

"Haben die Menschen denn Angst, einem beizustehen?"

Als "Dokument der Krisenbewältigung" hat die frühere Krebshilfe-Präsidentin Mildred Scheel das Aufgeschriebene des Wedeler Innenausstatters Leonhard Lentz gewertet, einer Krisenbewältigung, "von der ich mir wünschte, dass sie von möglichst vielen Krebspatienten nachvollzogen werden könnte".

Nachzuvollziehen war die Krisenbewältigung des Leo Lentz Ende der 80er-Jahre auf der Kinoleinwand, dann im Fernsehen. Rolf Schübel bekam dafür den Bundesfilmpreis, später den Adolf-Grimme-Preis in Gold, viele weitere Auszeichnungen. Lentz, der Betroffene, der Patient, der Kehlkopfkrebs-Befallene, hatte an Schübels Werk mitgearbeitet, mitgespielt sogar; das Buch fand erst spät einen Verlag, so spät, dass Mildred Scheel das von ihr dafür versprochene Vorwort nicht mehr schreiben konnte, so spät, dass auch Lentz die Drucklegung nicht mehr erlebt hat.

Mehr als neun Jahre hatte der Schleswig-Holsteiner mit Kehlkopfkrebs und dessen Folgen leben müssen, mit 47 Jahren hatte er angefangen, darüber dieses Tagebuch zu führen. "Das Leben ist, auch wenn man krank ist, noch schön", hat er darin als einen Leitsatz notiert; das Depressive ist dennoch herauszulesen: "Ich fühle mich allein, allein gelassen", schreibt er. Das ist nach den Markierungen der Bestrahlungsfelder - mit den roten Streifen im Gesicht ist er als "Der Indianer" gebrandmarkt: "Als ich rauskomme, sehen alle zu mir hin und schlagen dann die Augen nieder". Worauf umgehend die Frage folgt: "Haben die Menschen denn Angst, einem beizustehen - ich brauche sie doch jetzt?!" Lentz gibt sich selbst die Antwort: "Sie haben noch mehr Angst als ich, sie haben Angst vor dem Gespräch mit mir, Scheu vor dieser Krankheit Krebs".

Leo Lentz bewältigt auch das, auf seine Art: Er schildert seine Besuche an der Trinkbude am Schulauer Fährhaus ("Kräuterschnaps, Bier, noch ein Bier"), in der Kneipe: "Der Wirt freut sich, dass ich lebe". Resümiert: "Ich kann mich nicht mehr einmischen, mitmischen, mitquatschen - im großen Kreis bin ich nichts wert". Aber: "Zuhören ist auch schön, Biertrinken ist schön, da sein ist schön, erleben, ja, überhaupt leben ist wichtig".

Ein sehr nachdenklich machendes Buch, und - ja - das Dokument einer Krisenbewältigung.
-nik

Leonhard Lentz: Der Indianer 156 Seiten, Verlag Kellner, Hamburg. ISBN: 3-927623-06-7, neu 8,90 Euro, leider fast überall vergriffen; gute Buchhandlungen helfen aber weiter, auch über die einschlägigen Internet-Anbieter werden noch gebrauchte Exemplare angeboten, z. B. hier



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Rolf Schübels preisgekrönten Film (98 Minuten) mit und über Leonhard Lentz bieten die Landesmediendienste Bayern zum kostenlosen Ausleihen an - z. B. für Selbsthilfegruppen. Voraussetzung: 16-mm-Projektor, den gibt's meist in Schulen, ebenso wie fachkundige Vorführer. Adresse: Dietlindenstraße 18, 80802 München, Telefon: 0 89/38 16 09-15, Telefax: 0 89/38 16 09-20, oder: info@mediendienste.info