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Gelesen: "Ich habe deine Tränen gesehen" von Bernhard Häring

Über die Solidarität der Leidenden und die Freude am Leben

Das war ein sehr langer Kampf mit dem Krebs, und ganz am Ende hat ihn Bernhard Häring nicht verloren: 1998 ist der Moraltheologe mit 85 Jahren nach mehreren Gehirnschlägen an Herzversagen gestorben. 22 Jahre zuvor hätten sich die Schatten über seinen Kehlkopf gelegt, schreibt er - "in kurzer Zeit schwand meine Stimme dahin. Ich konnte es wissen, wollte es aber nicht wissen, dass es sich um Kehlkopfkrebs handelte".

Hinterlassen hat der Pater und Professor - neben weitaus gewichtigeren Werken - auch diese "Art Trostbuch für Kranke und eine Hilfereichung für jene, die ihnen beistehen". Aufgeschrieben hat er darin sehr offen - und sehr tief gehend - das Erleben seiner eigenen Krankheitsgeschichte samt deren Randnotizen. Das ist von Gottvertrauen geprägt, aber ganz und gar nicht "frömmelnd" - ein Büchlein auch für vorurteilsfreie Agnostiker.

Häring entstammt einer frühen Generation. Einer, der nicht mehr viele angehören: Er hat noch "mit Bruder Tod" leben lernen müssen, schildert das genau so - etwa, was er als Sanitätsfeldwebel zwischen Charkow und Kursk erlebt hat. Möglich, dass auch daraus eine gelassenere Sicht auf die Dinge resultiert?

1977 also die erste Diagnose, sogleich OP, ziemlich bald die Totaloperation. 1979 kommt der Krebs schon wieder - "der nahe Tod war sehr wahrscheinlich", schreibt Häring, berichtet von "tiefenpsychologischen Erwartungen, die sich verdichten in unsagbares Vertrauen". Sachlich-nüchtern macht er eine ungünstige "psychosomatische Konstellation" als möglichen Grund aus - das war damals das Redeverbot, das ihm der Vatikan angehängt hatte. Einer wie Häring wehrt sich gegen so etwas - und ist schneller mit Ruktus und Ösophagus vertraut, als Logopädie-Lehrbücher das vorsehen.

Die eigene Erfahrung daraus versucht er, weiter zu geben - und ist tief beeindruckt von "der Solidarität der Leidenden" - erzählt vom Besuch eines kehlkopflosen Lehrers, von der "Frau, die alle Kehlkopflosen im Raum München" besuche - "sie lassen sich nicht einmal die Reisekosten vergüten". Selbst stellt er fest: "Man hat ein ganz anderes Charisma zu trösten und zu ermutigen, wenn die anderen Kranken wissen, dass man aus Erfahrung spricht" - und zieht daraus den Schluss: "Das Leiden war der Mühe wert!"

Härings Resümee, wie er es noch in seinem "Trostbuch" hat aufschreiben können: "Ich kann sagen, dass ich am Leben, an allem Schönen und Guten, viel Freude habe, auch an meiner armseligen Ösophagus-Ersatzstimme."

-nik

Bernhard Häring: Ich habe deine Tränen gesehen, 108 Seiten, Verlag Herder, Freiburg. ISBN: 3-451-26684-9. Im Buchhandel oft vergriffen; Restexemplare (auch gebraucht, ab 0,75 € + Versand, je nach Zustand) gibt's aber bei Internet-Händlern, z. B. über www.libri.de, www.buecher.de, www.booklooker.de, oder hier bei Amazon. *